Berlin diente in der ersten Juni Woche 2019 als geografische Drehscheibe für das mittlerweile grösste Handelsevent in Deutschland: Mit „Chancen ohne Ende – Future Retail Opportunities 2025“ geht die K5 2019 in die neunte Runde und wagt einen Ausblick auf die kommenden Online-Jahre.
Die Gestaltung herausragender Kundenerlebnisse gehört zu den wichtigsten Herausforderungen, Aufgaben und Chancen für Unternehmen. Dies gilt für alle Berührungspunkte und damit auch für Konferenzen. Die K5 ist ein erfolgreiches Konferenz-Format mit Fokus auf die digitale Handelsbranche, Innovation und Networking. Der Anspruch war, den Teilnehmern nicht nur spannende, nützliche und inspirierende Insights, Fails und Learnings der Branche zu geben, sondern auch, dass die Konferenz selbst zu einem prägendem Erlebnis wird.
Veranstalter Jochen Krisch, Herausgeber von Exciting Commerce, und Sven Rittau, CEO der K5, eröffneten die Konferenz und erklärten, dass Peak Amazon diesmal das Leitmotiv sei. Beide Moderatoren stellten gut recherchierte und datengetriebene Themen vor.Auf der diesjährigen K5 waren in zwei Tagen 150 Aussteller, 150 Speaker und über 3‘000 Teilnehmer vor Ort. Es wurden Masterclasses in limitierten Slots in Masterclass-Domes gehalten und nach der Konferenz gesondert Veranstaltungen wie z.B. „Female in Retail“ angeboten. Vernetzung, Frühstück und Einblicke - die „Frauen des Handels“ unter sich. Die Zahlen alleine sagen allerdings wenig, da es sich wie immer im Handel nicht um Output, sondern um Outcome handelt. Es stellt sich die Frage: Was ist dabei herausgekommen?
Jochen Krisch und Sven Rittau sprachen vier Schwerpunkte an: Amazon stosse an Grenzen, Strategien der Großen jenseits Amazon, Mobile Player besäßen die besten Karten und die zweite grosse China-Welle bahne sich an. Der Konferenztag begann demnach mit einer klaren Ansage: Es führe kein Weg an Marktplätzen vorbei, da sich genau dort die Kunden bewegen. Der Eintritt müsse aber strategisch geplant, aktiv gemanaged werden und mit vollem Einsatz erfolgen, um nicht in Abhängigkeit zu geraten.
Stefan Smalla, Co-Founder & Vorstand von Westwing, fasste die Erkenntnisse seines Unternehmens in drei Punkten zusammen: Direktverkauf an Kunden, Social Media ist real und Brand Loyalty die einzige Waffe. Der direkte Kanal zum Endkunden ist essentiell, sonst wird die Marke zu schwach; Unternehmen sollen nicht nur auf Plattformen sondern auch beim Kunden präsent sein. Die Wichtigkeit von Social Media bei Westwing erkennt man in der Teamgröße. 100 Redakteurinnen und Redakteure sowie zwei Fotostudios werden eingesetzt, um hochwertigen Social Media Content zu generieren.Das Unternehmen kann auf loyale Nutzer zählen, die auch kommen, wenn sie nichts kaufen und zusätzlich ist es ein Werbegeschäft für angebotene Marken. Ganze 85% aller Verkäufe kommen von Kunden, welche die Webseite über 100 Mal im Jahr besuchen. 90% der Kunden sind Frauen.
Wayfair stellte eigene Erfahrungen im Online-Möbel-Bereich vor. Dr. Malte Dous und Dr. Saskia Meier-Andrae referierten über die 2002 in Boston gegründete Möbel-Plattform, welche sich mit dem Dropshipping-Modell auf dem Markt behauptet. Lieferanten werden in diesem Modell als Partner angesehen, es besteht eine scheinbar endlose Auswahl an Möbeln und das vollständige Sortiment wird komplett und jederzeit angezeigt. Dafür werden hochwertige Produktdaten benötigt. Produktdaten sind heute ein Wettbewerbsvorteil geworden und es bedarf moderner Software, um manuelle Aufwände zu reduzieren und Produkte schneller in den Verkauf zu bringen. Wayfair beansprucht für sich starke technische und operative Fähigkeiten, meistert die Delivery Experience und wickelt mit dieser Strategie über 75% der Käufe über das eigene Netzwerk ab. Somit kann auch die letzte Meile beim Kundenerlebnis selber mitgestaltet werden.
Die Wayfair Erfahrung ist, dass die Auswahl alleine Kunden nicht glücklich mache, sondern dass Shopping Spass machen muss. Dies kann man durch technische Unterstützung im Hintergrund, Personalisierung, exklusive Marken und Bildern erreichen; dem Kunden zeigen was der Kunde möchte, obwohl er dies aber nicht wusste. Der Umsatz wird mit über 70% über die Eigenmarke generiert und Kauftage, wie der im April zelebrierte „Way Day“, sind immer ein großer Erfolg. Wieso machen das nicht mehr Unternehmen? Die Konzepte der Foodbranche thematisierte Dominique Locher, Branchen-Pionier und Unternehmer. Seine Inputs zu efood sind, dass der Handel Amazon nicht unterschätzen soll, nur weil Amazon Fresh noch nicht perfekt funktioniere. Amazon ist präsent, lernt und wächst. Auf dem Markt sei Bewegung gefordert; andernfalls hole sich Amazon früher oder später die Marktanteile. Der Online-Supermarkt Picnic berichtet, dass der Warenkorb entscheide, dass operativ alles, was der Kunde möchte, angeboten werden müsse, und dass der persönliche Service zum Standard gehöre.
Ein Highlight für die Logistik auf der letzten Meile mit modularen Smartboxen, Verpackungsrobotern und intelligenter Steuerung zeigte das Unternehmen pick8ship. Dr. Josef Haid von pick8ship erklärte, die Paketlogistik benötige 40-60 Handling Schritte; für das Recycling von einer Tonne Karton benötige man 300 Liter Öl und 7‘000 Liter Wasser. Man bräuchte neue Verpackungs- und Versandtechnologien und die Lösung sei ein effizientes und nachhaltiges Mehrweg-Logistik-System mit einer Mehrweg-SmartBox in Trolleys ohne Transportkarton und ohne Packmaterial. Das optimierte Fulfillment sähe wie folgt aus: das Picking passiert direkt in der SmartBox, der Transport im Trolley und das automatisierte Sortieren mit RoboSort. Dazu noch schnelles Be- und Entladen sowie Ausliefern, inkl. Rücksendungen bei 30% - 50% tieferen Betriebskosten und Investitionen, sowie bis zu 90% weniger Verpackungsmüll. Das sei die Logistik-Zukunft.Weniger euphorisch sieht es bei der Plattform-Ökonomie in Europa aus.
„Diese könne besser sein, eine neue Richtung müsse her“, so die Stimmen im Hinblick auf Asien und Amazon. Jochen Kirch äussert sich zum Thema Plattformbusiness: „Stelle das, was du am besten kannst, anderen zur Verfügung.“ Es wurde prognostiziert, dass Amazon an seine Grenzen stosse und nur sehr langsam die nächste Stufe des E-Commerce erreiche. Neue Entwicklungen wie beispielsweise mobile-Shopping über Instagram nehmen Kunden gerne an.Zum Thema E-Commerce und Digitale Transformation im Luxussegment nennt die Bucherer AG vier Erfolgsfaktoren: (1) Agilität und Speed, (2) Datenqualität, (3) Omnichannel-Services sowie (4) den Kunden verstehen und 1A Services liefern. Jemand zitierte an dieser Stelle den US-Bestsellerautor und agilen Produktentwicklungsexperten Jeff Patton: “Agility is a culture, not a process.”Neben den spannenden Entwicklungen im Möbel-, Logistik- und Foodbereich, meldet die Modebranche, dass einiges im Umbruch sei. „Multichannel ist Pflicht! Kanalexzellenz ist Kür!“, sagte Dr. Sven Bernhardt, CCO von Breuninger, und differenzierte den Sinn der Verzahnung nach der Qualität der Services. Modehändler mit stationären Wurzeln können online Akzente setzen.
Das Premium-Warenhaus Breuninger treibt Eigenentwicklungen voran und erzielt einen Gesamtumsatz in Höhe von 800 Millionen EUR, davon 20% online. Was hier funktioniert ist die eigene Zahlungskarte, State-of-the-Art Multichannel-Integration und ein Team von über 100 Mitarbeitern im digitalen Bereich, welches sich täglich um die über 1‘000 Marken kümmert.
About You baut zunehmend auf Events wie Awards oder Festivals, um sich im Gespräch zu halten und wird mit Red Bull verglichen. About You nennt dies „Reach for Inspiration Content“ und möchte so den Samstags-Stadtbummel digitalisieren.Online-Handel beansprucht einen Anteil von 10% am 165 Milliarden schweren weltweiten Luxusmarkt. „Bis 2023 werden es rund 17 Prozent sein!“, sagt Sebastian Dietzmann von mytheresa. Das Unternehmen will mit Kuration und Inspiration schnell weiter wachsen. Interessant war das Plädoyer von Dr. Martin Schulte, welcher über tiefe Expertise im Handel, insbesondere in den Bereichen Textil, Kosmetik, Elektronik sowie Baumärkte, verfügt. Seine Aussage ist, dass die Europäer sich zu langsam entwickeln. Neue Erlösmodelle, die im Wesentlichen von Start-ups entwickelt wurden, hätten erst 4 Prozent Marktanteil. In Asien liege der Wert bei knapp 20 Prozent. Venture Capital sei einer der Haupttreiber. „Das Wachstum geht vor allem auf Kosten des Handels. Die Spieler, die nur Handel betreiben, werden in den nächsten Jahren die grössten Probleme haben. Händler müssen mehr sein als nur Händler“, so Schulte.
Es war ein spannender Event mit viel Fachwissen, mit hochwertigen Speakern und mit zahlreichen interessanten Besuchern. Wir danken den K5 Organisatoren für eine sehr gelungene Konferenz und sind kommendes Jahr in Berlin auf der K5 2020 wieder dabei.